Verhaltensmuster, die darauf hinweisen, dass eine Person zuschlagen könnte

Im Folgenden findest du eine Liste von Anzeichen, die bei Menschen beobachtet werden, die ihre Partner_innen oder Ehepartner_innen schlagen. Auch nur ein einziger der folgenden Vorfälle kann eine Form von häuslicher Gewalt oder Übergriffigkeit sein. Die letzten vier Verhaltensmuster sind fast immer nur bei körperlich gewalttätigen Personen zu beobachten – aber auch schon eine der folgenden Situationen alleine kann übergriffig sein. Wenn eine Person mehrere der folgenden Verhaltensweisen (sagen wir 3 oder mehr) zeigt, gibt es eine große Wahrscheinlichkeit für körperliche Gewalt – je mehr Anzeichen es gibt, desto lebensbedrohlicher kann eine Situation werden.

Der Einfachheit halber ist in den folgenden Szenarien „er“ die übergriffige Person und „sie“ die betroffene Person. Auch wenn häusliche Gewalt meistens von Männern*◀ ausgeht, soll das nicht heißen, dass nur Männer* übergriffig werden und nur Frauen* betroffen sind. Häusliche Gewalt manifestiert sich in vielen Formen und in vielen Arten von Beziehungen, sie ist nicht auf bestimmte Genderrollen beschränkt. 

(Anmerkung der Übersetzungsgruppe: Weil die Szenarien oft konkret von einem Hetero-Kontext ausgehen, in dem ein Mann* übergriffig ist, haben wir die er/sie-Schreibweise übernommen.)

 

1. Eifersucht: Nachdem eine Beziehung angefangen hat, wird ein Gewalttätiger immer sagen, dass seine Eifersucht ein Zeichen von Liebe sei; Eifersucht hat nichts mit Liebe zu tun. Sie ist ein Zeichen von Unsicherheit und Besitzergreifen. Er wird seine Partnerin ausfragen mit wem sie spricht, sie der Untreue beschuldigen, oder eifersüchtig auf die Zeit sein, die sie mit Familie, Freund_innen oder Kindern verbringt. Wenn die Eifersucht zunimmt, wird er sie möglicherweise häufig am Tag anrufen oder unerwartet kurz vorbeikommen. Er wird sich vielleicht weigern, sie arbeiten zu lassen, aus Angst, sie könnte dort irgendwen anderes treffen, oder er entwickelt sogar seltsame Verhaltensweisen, wie zum Beispiel den Kilometerstand ihres Autos zu kontrollieren oder Freund_innen damit zu beauftragen, sie zu beobachten.

2. Kontrollierendes Verhalten: Als erstes wird der Gewalttätige sagen, dass er sich so verhält, weil er sich um seine Partnerin sorgt: um ihre Sicherheit, um ihr Bedürfnis die eigene Zeit gut zu nutzen, oder um ihr Bedürfnis Entscheidungen zu treffen. Er wird wütend, wenn seine Partnerin „spät“ aus einem Laden oder von einer Verabredung zurückkommt, er wird sie sehr genau ausfragen, wo sie war und mit wem sie geredet hat. Wenn dieses Verhalten schlimmer wird, lässt er seine Partnerin möglicherweise keine persönlichen Entscheidungen mehr treffen, weder über das Haus, ihre Kleidung, noch darüber, ob/wie oft sie in die Kirche geht. Er wird vielleicht das ganze Geld an sich nehmen oder sie sogar dazu bringen, ihn um Erlaubnis zu fragen, das Haus oder den Raum zu verlassen.

3. Schnelle Bindung: Viele Frauen, die Gewalt erfahren, sind erst seit Kurzem mit ihrem Partner zusammen oder kennen ihn weniger als 6 Monate, bevor sie sich verloben oder zusammenziehen. Er platzt in ihr Leben wie ein Wirbelsturm „du bist die einzige Person, mit der ich jemals sprechen werde“ oder „ich habe mich noch niemals so von irgendwem geliebt gefühlt“. Er sucht händeringend irgendwen, und wird seine Partnerin mit Verzweiflung unter Druck setzen, sich an ihn zu binden.

4. Unrealistische Erwartungen: Er ist mit all seinen Bedürfnissen vollkommen abhängig von seiner Partnerin; Er erwartet von ihr die perfekte Ehefrau, Mutter, Liebhaberin und Freundin zu sein. Er wird Dinge sagen wie „Wenn du mich liebst, bin ich alles was du brauchst – du bist alles was ich brauche“. Sie soll sich für ihn um alles kümmern, emotional und im Alltag zu Hause.

5. Isolation: Ein Gewalttätiger versucht, seine Partnerin von allen Ressourcen abzuschneiden.  Wenn sie Freunde hat, ist sie eine „Hure“, wenn sie Freundinnen hat, ist sie eine „Lesbe“. Wenn sie ihrer Familie nah ist, ist sie „von den Eltern abhängig“. Leuten, von denen sie unterstützt wird, wirft er vor, „Ärger zu verursachen“. Er möchte vielleicht auf dem Land leben – ohne Telefon, er lässt sie vielleicht das Auto nicht benutzen, oder er versucht vielleicht, sie davon abzuhalten, zu arbeiten oder die Schule zu besuchen.

6. Anderen die Schuld an eigenen Problemen geben: Wenn er ständig arbeitslos ist, tun ihm immer andere Leute unrecht, haben andere es auf ihn abgesehen. Wenn er Fehler macht, schiebt er die Schuld auf seine Partnerin, mit der Begründung, dass sie ihn durcheinander bringe und ihn davon abhalte, sich zu konzentrieren und seine Arbeit zu machen. Er wird seiner Partnerin sagen, dass sie die Schuld an fast allem trägt, was schief läuft.

7. Anderen die Schuld an den eigenen Gefühlen geben: Er wird seiner Partnerin sagen: „du machst mich fertig“, oder „du verletzt mich, weil du nicht machst, worum ich dich bitte“, oder „ich kann nichts dafür, dass ich wütend bin“. In Wirklichkeit entscheidet er selbst, was er denkt und fühlt, aber er wird diese Gefühle benutzen, um seine Partnerin zu manipulieren. Schwieriger zu entlarven sind seine Behauptungen wie: „du machst mich glücklich“ oder „du hast die Kontrolle darüber, wie ich mich fühle.“

8. Überempfindlichkeit: Ein Übergriffiger ist schnell beleidigt. Er behauptet, seine Gefühle seien „verletzt“, wenn er in Wirklichkeit sehr wütend ist, oder er versteht den kleinsten Rückschlag als persönlichen Angriff. Er wird „wüten und toben“ über die Ungerechtigkeit der Dinge, die ihm passiert sind – Dinge, die einfach nur Teil des Lebens sind, z.B. um Überstunden gebeten zu werden, nen Knöllchen zu bekommen, gesagt zu bekommen, dass etwas, was er macht, nervig ist oder nach Hilfe im Haushalt gefragt zu werden.

9. Grausamkeit gegenüber Tieren und Kindern: Das ist eine Person, die Tiere brutal bestraft oder gefühllos gegenüber ihrem Schmerz oder ihrem Leiden ist. Er erwartet vielleicht von Kindern in der Lage zu sein, Dinge zu tun, die weit jenseits ihrer Möglichkeiten sind (er schlägt ein Zweijähriges fürs in die Windel machen), oder ärgert möglicherweise Kinder oder jüngere Geschwister, bis sie weinen. (60% der Übergriffigen, die ihre Partnerinnen schlagen, schlagen auch ihre Kinder). Er erlaubt den Kindern vielleicht nicht, am Tisch zu essen oder erwartet von ihnen, den ganzen Abend in ihrem Zimmer zu bleiben, während er zu Hause ist.

10. „spielerische“ Gewaltanwendung beim Sex: Dieser Gewalttätige mag es vielleicht, seine Partnerin beim Sex runterzudrücken und festzuhalten und er möchte vielleicht Fantasien beim Sex ausleben, bei denen seine Partnerin hilflos ist (und nicht einverstanden). Er lässt seine Partnerin wissen, dass ihn die Idee von „Vergewaltigung“ erregt. Dabei zeigt er wahrscheinlich wenig Interesse daran, ob und wie seine Partnerin Sex haben will. Er benutzt Schmollen und Wut, um sie zur Einwilligung zu manipulieren. Er fängt vielleicht mit sexuellen Handlungen an seiner Partnerin an, während sie schläft, oder fordert Sex, wenn sie krank oder müde ist.

11. verbale◀ Grenzüberschreitungen: Abgesehen davon, Sachen zu sagen, die grausam sind und verletzen sollen, kann damit gemeint sein, dass der Mann seine Partnerin abwertet, klein macht, jede ihrer Fähigkeiten runtermacht. Er wird ihr sagen, dass sie dumm sei, und nicht in der Lage ohne ihn klarzukommen. Es kann auch beinhalten, sie aufzuwecken um sie zu beschimpfen, oder sie nicht schlafen zu lassen.

12. starre Geschlechterrollen: Er erwartet von seiner Partnerin, ihm zu dienen; wird sagen, dass sie zu Hause bleiben soll, dass sie ihm in allen Dingen gehorchen soll – sogar bei Sachen, die strafrechtlich verfolgt werden. Er wird Frauen/People of Color◀/Bisexuelle◀/Menschen mit Behinderungen/Jugendliche/Alte für minderwertiger halten als Männer/weiße◀/Heteros/Homosexuelle/Menschen ohne Behinderungen. Er wird denken, dass sie „dümmer“ seien und ohne Beziehung keine vollständigen Persönlichkeiten sein könnten.

13. krasse Stimmungsschwankungen: Viele Partnerinnen sind verwirrt von dem „plötzlichen“ Stimmungswandel der übergriffigen Person – sie beschreiben, dass ihr Partner in der einen Minute nett ist und in der nächsten Minute explodiert oder dass er „durchdreht“. Explosivität und Stimmungsschwankungen sind typisch für Leute, die ihre Partnerinnen schlagen; dieses Verhalten kann in Zusammenhang mit anderen Eigenschaften stehen, wie zum Beispiel Überempfindlichkeit.

14. Gewaltanwendung in der Vergangenheit: Er erzählt vielleicht, dass er seine Partnerinnen in der Vergangenheit geschlagen hat, aber dass sie ihn dazu gebracht hätten. Seine Partnerin hört vielleicht von Verwandten oder Ex-Partnerinnen, dass er gewalttätig ist. Ein Gewalttätiger schlägt wahrscheinlich jede Partnerin, mit der er zusammen ist; situationsbedingte Umstände machen eine Person nicht zu einem Schläger, sondern Gewalt ist dann ein Handlungsmuster, um mit bestimmten Situationen umzugehen.

15. Gewaltandrohungen: Das beinhaltet jede Androhung von körperlicher Gewalt, die darauf abzielt, seine Partnerin zu kontrollieren. Die meisten Leute bedrohen ihre Partner_innen nicht, aber er wird versuchen, sein Verhalten mit Sätzen wie „alle sagen sowas“ zu rechtfertigen.

16. Gegenstände zerbrechen oder schlagen: Dieses Verhalten wird zur Bestrafung benutzt (Zerbrechen von geliebten Gegenständen), aber meistens wird es verwendet, um die Partnerin zu terrorisieren, damit sie sich unterordnet. Ein Übergriffiger schlägt vielleicht mit seinen Fäusten auf Tische ein oder wirft Gegenstände in die Nähe seiner Partnerin. Nochmal, das ist ein ziemlich auffälliges Verhalten, wenn Leute in der Gegenwart von anderen auf Gegenstände einschlagen, um sie zu bedrohen.

17. Jede Gewalt während eines Streits: das bedeutet zum Beispiel, dass er seine Partnerin festhält, sie körperlich davon abhält, den Raum zu verlassen, jedes Drängen oder Schubsen. (Er drückt seine Partnerin vielleicht gegen die Wand und sagt „du wirst mir jetzt zuhören“.)